Unter Blindleistung versteht man den Teil der vom Netz zur Verfügung gestellten Leistung, der durch die Wechselwirkung zwischen Spannung und Stromstärke in einem Wechselstromsystem entsteht und nicht aktiv von Verbrauchern genutzt werden kann. Blindleistung wird in vielen elektrischen Geräten erzeugt bzw. verbraucht (Kondensatoren, Elektromotoren, Generatoren). Blindleistung spielt beim Aufbau der elektrischen und magnetischen Felder von Motoren oder Kondensatoren eine Rolle. Die Blindleistung ist von der Verlustleistung zu unterscheiden, welche die Energie darstellt, die durch beispielsweise Reibungsverluste als Wärmenergie verloren geht. Blindleistung dagegen, geht nicht „verloren“ , sondern wird „zwischengespeichert“ und bei dem Abbau der Felder wieder in das Netz zurückgegeben. Die Blindleistung kann also keine nutzbare Arbeit verrichten, belastet aber dennoch das Netz, weswegen Sie generell so minimal wie möglich gehalten wird. Allerdings ist sie unvermeidbar, um die elektrischen und magnetischen Felder aufzubauen, welche nicht nur für den Betrieb von zahlreichen elektrischen Geräten wichtig sind, sondern auch für den Stromtransport.
So wie die Batteriegroßspeicher am Regelenergiemarkt teilnehmen können, wäre es den Speichern ebenfalls ohne Schwierigkeiten möglich, an einem solchen freien Blindleistungsmarkt teilzunehmen. Die Erbringung von Blindleistung ist dabei nicht nur auf Zeiten beschränkt, in denen Energie ein- oder ausgespeichert wird. Denn in diesen Zeiten ist die Erbringung von Blindleistung ja gemäß den Technischen Anschlussrichtlinien ohnehin vorgesehen. Darüber hinaus besitzen Batteriegroßspeicher die technische Fähigkeit, Blindleistung auch dann bereitzustellen, wenn die Anlage stillsteht, wenn also keine Wirkleistung ein- oder ausgespeichert wird. In diesen Ruhephasen kann Blindleistung auf vertraglicher Basis bereitgestellt werden, was einen Erlösstrom während der Standphasen ermöglicht. Auch der Endkunde profitiert, denn durch zusätzliches Angebot an Blindleistung sinken die Beschaffungspreise für die Netzbetreiber und damit die Netzentgelte der Kunden.
Generell liegt es in der Verantwortung der Netzbetreiber, die benötigte Blindleistung durch Anforderung der im Netz vorhandenen Erzeugungsanlagen zur Verfügung zu stellen. Bis zu einem gewissen Bereich ist für Erzeugungsanlagen die Erbringung von Blindleistung in den Netzanschlussbedingungen der jeweiligen Netzbetreiber bzw. in den vom VDE herausgegebenen Technischen Anschlussrichtlinien (‚TAR‘) geregelt. Dort ist festgelegt, dass Erzeugungsanlagen nur dann ans Netz angeschlossen werden dürfen, wenn diese einen Teil der Leistung als Blindleistung zur Verfügung stellen können. Der genaue zu liefernde Anteil liegt je nach Netzbetreiber häufig in einer Größenordnung von 10% der angeschlossenen Leistung. Speist also beispielsweise ein Batteriegroßspeicher 10 MW Wirkleistung ein, so muss er bei einer statischen Blindleistungserbringung von 10% zusätzlich 1 Var (=1 MW) an Blindleistung zur Verfügung stellen. Für diese Zurverfügungstellung von Blindleistung werden die Erzeugungsanlagen jedoch nicht zusätzlich vergütet, obwohl durch erhöhte Leitungswiderstände und durch Verschleiß Mehrkosten für die Erzeugungsanlage anfallen.
Der Bedarf, der über diese „erzwungene“ Beschaffungsmaßnahme der Blindleistung herausgeht, wird aktuell häufig über bilaterale Verträge zwischen konventionellen Großkraftwerken und den jeweiligen Netzbetreibern geregelt. Die Preisfindung findet in individuellen Verhandlungen zwischen den Parteien statt und wird nicht der Öffentlichkeit vorgelegt. Sie ist entsprechend intransparent. Laut BNetzA weichen die vereinbarten Preise teils deutlich voneinander ab und schwanken von 0,08 bis 2,27 €/MVArh (Quelle: Diskussionspapier „Blindleistungsbereitstellung für den Netzbetrieb“, BNetzA). Bereits 2019 hat der Gesetzgeber im § 12h des EnWG gesetzlich festgelegt, dass wie bei vielen anderen Stromprodukten wie der Regelenergie, auch der Handel von Blindleistung auf einem transparenten, diskriminierungsfreien und marktgestützten Verfahren basieren soll. Die Realität sieht jedoch ganz anders aus, durch intransparente Preisverhandlungen der Netzbetreiber mit einigen wenigen konventionellen Großkraftwerken. Im Zuge der Einführung des § 12h wurde vom Wirtschaftsministerium ein Gutachten beauftragt, welches die ökonomische Effizienz eines solchen Verfahrens überprüft hat. Das Ergebnis zeigt, dass die Blindleistung generell über ein marktbasiertes, transparentes Verfahren beschafft werden kann. Die Branche wartet aktuell auf die Festlegung seitens der Bundesnetzagentur, wie genau der künftige Blindleistungsmarkt ausgestaltet werden soll. Der Zeitplan hierfür steht jedoch leider noch offen.
Aktuell wird Blindleistung hauptsächlich von großen Kraftwerken angeboten. Dabei findet eine kontinuierliche Kommunikation zwischen ihnen und den Netzbetreibern statt, um möglichst genaue Bedarfe zu kalkulieren. Aber auch Erzeugungsanlagen erneuerbarer Energien sowie Batteriegroßspeicher sind in der Lage Blindleistung zur Verfügung zu stellen. Mittlerweile sind sie sogar dazu verpflichtet eine bestimmte Menge zu liefern. Durch den Ausbau der Erneuerbaren und das schrittweise abschalten konventioneller Kraftwerke ist dies besonders wichtig da Netzbetreiber so auf immer mehr Erzeugungsanlagen zurückgreifen können. So kann das Stromnetz auch zukünftig durch Blindleistung stabilisiert werden.