Die Bedeutung von Großspeichern für die Energiewende im politischen Raum wurde lange Zeit systematisch unterschätzt. Verbesserungen der politischen Rahmenbedingungen für Investitionen in Batteriegroßspeicher zur Herstellung eines faireren Wettbewerbs mit konventioneller, erzeugungsseitiger Flexibilität wurden durch den Gesetzgeber in den letzten Jahren zwar an verschiedenen Stellen vorgenommen, doch eine umfassende Strategie zur Beschreibung der Rolle von Speichern im Energiesystem blieb aus. Dass einige der zentralen Hürden für den Speicherhochlauf dennoch beseitigt werden konnten, ist das Ergebnis langjähriger Überzeugungsarbeit durch die Speicherbranche und schlägt sich nun in hohen, rein marktgetriebenen Zubauraten insbesondere bei Großbatteriespeichern nieder. Durch die höchst dynamische Entwicklung des Marktes mit Investitionsankündigungen im Milliardenmaßstab rücken die regulatorischen Themen rund um Speicher nun erstmalig in der politischen Agenda weiter nach oben. Denn der alleinige Ausbau der erneuerbaren Energien und der Netze ist nicht mehr ausreichend. Im Zentrum der politischen Aktivitäten stehen dabei insbesondere drei Strategien: die Systementwicklungsstrategie, die Stromspeicher- sowie die Kraftwerksstrategie.
Mit der Veröffentlichung der Stromspeicher-Strategie am 19. Dezember 2023 machte die Bundesregierung einen ersten wichtigen Schritt, um die Rolle von Stromspeichern im Rahmen der Energiewende politisch zu definieren und zu würdigen. Die Stromspeicher-Strategie zielt darauf, die Ausbaudynamik von Stromspeichern zu unterstützen und beschreibt dabei umfassend die zentralen Hemmnisse für einen Stromspeicherhochlauf in Deutschland. In Ihrer aktuellen Version stellt sie allerdings in erster Linie eine politische Absichtserklärung dar, die im nächsten Schritt dringend mit konkreten Maßnahmen und einem klaren legislativen Zeitplan gefüllt werden muss.
Die Systementwicklungsstrategie, zu der im November 2023 durch das Wirtschaftsministerium ein Zwischenbericht vorgelegt wurde, befindet sich aktuell in Ausarbeitung. Sie entwickelt ein gemeinsames Leitbild für ein klimaneutrales Energiesystem und zeigt die Transformationspfade dahin auf. Grundlage für die Systementwicklungsstrategie sind Langfristszenarien, die das Energiesystem bis 2045 betrachten. Sowohl der Zwischenbericht als auch die zwischenzeitlich aktualisierten Langfristszenarien (Februar 2024) sind allerdings wider Erwarten nicht auf die Stromspeicherstrategie der Bundesregierung abgestimmt. So wird im Referenzszenario, welches der Systementwicklungsstrategie zugrunde liegt, überhaupt nicht von einem Zubau an Speichern ausgegangen, während die Stromspeicher-Strategie treffend beschreibt, warum (Strom-)Speicher eine zentrale Rolle im künftigen Energiesystem spielen (müssen).
Die jüngst angekündigte Kraftwerksstrategie (Februar 2024) dreht sich dagegen im Kern um die Frage, wie gesicherte Erzeugungsleistung aus H2-ready Gaskraftwerken entstehen kann. Sie setzt so in erster Linie einen Impuls für einen zügigen Ausbau der Wasserstoffwirtschaft, indem insgesamt 4x 2,5 GW an H2-ready Gaskraftwerken kurzfristig ausgeschrieben werden sollen. Dabei soll es sowohl zu einer Förderung von CAPEX als auch von OPEX kommen. Eine Verabschiedung ist spätestens im Sommer vom Bundeskabinett geplant. Hinzu kommt die Ankündigung eines „Kapazitätsmarkts“ ab dem Jahr 2028, der nicht näher spezifiziert wird. Inwieweit Speicher in einem technologieneutralen Markt eine Rolle spielen sollen, bleibt genauso offen wie viele weitere Parameter, die für eine Beurteilung des vorgeschlagenen Instruments wichtig wären.
Klar scheint, dass ein gradliniger Kurs des BMWK zu (Großbatterie-)Speichern noch aussteht. Denn noch immer sind die jeweiligen Einzel-Strategien des Wirtschaftsministeriums nicht aufeinander abgestimmt. Und schlimmer noch - die Realität beim Ausbau von Energiespeichern findet unzureichende Berücksichtigung. So bleibt insbesondere zu hoffen, dass die der Systementwicklungsstrategie zugrunde liegenden Langfristszenarien noch gründlich überarbeitet werden, denn die dort getroffenen Annahmen, vor allem zur Wirtschaftlichkeit von Speichern sind schlicht unzutreffend. Ein unzureichendes technisches Verständnis führt dazu, dass Speicher oft mit ungenauen Leistungs- und Kapazitätsbewertungen versehen werden, was zu einer deutlichen Verteuerung führt und ihren Effekt für das Energiesystem marginalisiert. Die enorme technologische Dynamik in der Speicherbranche, die mit der Situation bei der Photovoltaik in den 2010er-Jahren vergleichbar ist, wird völlig außer Acht gelassen. Zum aktuellen Stand bleibt deshalb zu befürchten, dass im Ergebnis falsche Schlussfolgerungen mit Blick auf die Systementwicklung getroffen werden.
Gleichzeitig stehen die Berechnungen und Aussagen der Langfristszenarien auch im direkten Widerspruch zur Stromspeicherstrategie des BMWK. Sie betont die Schlüsselrolle, die Speichertechnologien in der Energiewende einnehmen, setzt die richtigen Akzente für einen beschleunigten Speicherausbau und adressiert die Hürden und Handlungsfelder, die es nun zügig anzugehen gilt.
Betrachtet man nun die jüngst angekündigte Kraftwerksstrategie aus Sicht der Speicherbranche, stellt sich wiederum die Frage, inwieweit „Speicher-Kraftwerke“ dort mitgedacht werden sollen. Während man über den Sinn der angekündigten Ausschreibung der 4x 2,5 GW H2-ready Gaskraftwerke streiten kann, kommt alleine die Ankündigung eines Kapazitätsmechanismus bzw. eines Kapazitätsmarkts ab 2028 einem Paukenschlag gleich. Denn diese Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen, da der seit vielen Jahren etablierte Energy-Only-Markt dadurch faktisch abgeschafft würde.
Alleine die Ankündigung eines zukünftigen Kapazitätsmechanismus wird erhebliche Auswirkungen auf die Investitionsbereitschaft in verschiedenen Bereichen der Energieerzeugung haben, sei es in konventionelle, erneuerbare oder H2-ready Erzeugung als auch in Speicherlösungen. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass schnell Klarheit über die Ausgestaltung dieser Mechanismen geschaffen wird, um zu verhindern, dass notwendige und wirtschaftlich sinnvolle Investitionen in die Energieerzeugung und -speicherung aufgrund von Unsicherheiten unterbleiben. Eine solche Situation würde das Problem verschärfen und den Kapazitätsmechanismus zu einer self-fulfilling prophecy machen.
Besondere Aufmerksamkeit sollte darauf gelegt werden, sicherzustellen, dass ein zukünftiger Mechanismus die Preissignale am Energy-Only-Markt nicht in einer Weise beeinträchtigt, die zu einer übermäßigen Dämpfung der Preisvolatilität führt. Denn das sorgt dafür, dass Investitionen, die auf den Preisen am Energy-Only-Markt basieren, unwirtschaftlich machen. Genau dieser Markt ist aber inzwischen das Hauptbetätigungsfeld von Großbatteriespeichern, und Verzerrungen der Preisvolatilität hätten demnach auf die Wirtschaftlichkeit dieser Anlagen besonders große Auswirkungen.
Zudem muss gewürdigt werden, dass eine Kapazität von wenigen Stunden, wie neu geplante Großbatteriespeicher (und auch Pumpspeicherkraftwerke) sie im Regelfall aufweisen, für das Gesamtsystem sehr wertvoll sind: In ausländischen Märkten hat sich gezeigt, dass auch Kurzfristspeicher als Lieferanten von Kapazität erfolgreich sind, unabhängig von der Fragestellung, ob Kapazitätsmechanismen im Vergleich zum Energy-Only-Markt tatsächlich sinnvoll sind. Obwohl dies zunächst unintuitiv erscheinen mag, spielt die Sicherstellung der Versorgungssicherheit nicht nur bei der Bereitstellung von Baseload-Erzeugung während der "kalten Dunkelflaute" eine Rolle. Auch die Bereitstellung von zusätzlicher Kapazität über kurze Zeiträume (typischerweise etwa 2 Stunden für Kyon-Speicher) bietet einen erheblichen Mehrwert. Denn wirklich kritische Phasen in einer „kalten Dunkelflaute“, um beim Beispiel zu bleiben, halten nicht für Tage und Wochen an, sondern betreffen nur kurze Zeiträume, in denen ein sehr geringes EE-Dargebot auf besonders hohe Verbräuche trifft. Der Stromverbrauch schwankt aber tageszeitlich, weshalb ganz grundsätzlich einige Stunden kritischer sind als andere. In genau diesen Stunden hilft dann die Speicher-Kapazität bei der Sicherstellung einer zuverlässigen Stromversorgung.
Grundsätzlich sollte bei der Einführung eines jeden Kapazitätsmechanismus kritisch hinterfragt werden, warum der aktuelle Energy-Only-Markt als unzureichend betrachtet wird, um die erwarteten Herausforderungen zu bewältigen, und wie hierfür spezifisch eine Lösung gefunden werden kann, die den bestehenden Energy-Only-Markt minimal beeinträchtigt. Ein Beispiel ist die bestehende Kapazitätsreserve, die im Sinne einer „Beruhigungspille“ fürs System Zusatzkapazitäten sichert, die aber im Prinzip „nie“ abgerufen werden sollen - außer bei einer sehr seltenen, unvorhergesehenen kritischen Lage für die Versorgungssicherheit. Dieses Instrument trägt zur Verbesserung der Versorgungssicherheit bei, hat aber keine direkten Auswirkungen auf den Energy-Only-Markt.
Wenn jedoch in die Marktmechanismen des Energy-Only-Marktes eingegriffen wird, ist es nicht nur wichtig, die Auswirkungen unter Kontrolle zu halten, sondern auch sicherzustellen, dass Speicher ihren gerechten Anteil erhalten, selbst wenn sie vermeintlich nur wenig während der „kalten Dunkelflaute“ zur Versorgungssicherheit beitragen.
Im Übrigen ist ausschließlich ein solches Vorgehen EU-rechtskonform und die Bundesregierung ist gut beraten, dies ernst zu nehmen. Ohne die Implementierung rechtssicherer Mechanismen besteht das Risiko eines mittel- bis langfristigen Mangels an Investitionen, was dann wirklich die Versorgungssicherheit gefährden kann.
Die Bundesregierung strebt zweifellos an, den Übergang von konventioneller Energieerzeugung zu erneuerbaren Energien klar und beschleunigt voranzutreiben. In diesem Zusammenhang gewinnen auch Speichertechnologien und ihre Rolle im Energiesystem an Bedeutung und rücken weiter in den Fokus der politischen Agenda. Dennoch gibt es Uneinigkeiten hinsichtlich der Kohärenz und Klarheit des politischen Kurses. Die Vielfalt der Strategien, die auf unterschiedlichen Grundlagen beruhen und teilweise widersprüchlich sind, erschwert eine konsistente Umsetzung. Es ist wichtig, trotz dieser Herausforderungen ein sicheres Speicher-Investitionsklima in Deutschland zu bewahren. Die Bundesregierung muss hier sorgfältig abwägen und klug entscheiden, damit die Energiewende ökologisch und ökonomisch langfristig gelingen kann. Dass angesichts der bestehenden Widersprüche gleichzeitig ein schnelles Handeln erforderlich ist, um ineffiziente Unsicherheiten am Markt zu minimieren, macht es für die handelnden politischen Akteure nicht einfacher. In diese Zwickmühle hat sich die Politik allerdings selbst gebracht.