Um die Energiewende in Deutschland zu meistern bedarf es eines fundamentalen Umbaus unserer Energieinfrastruktur. Denn unsere Energieversorgung befindet sich im Umbruch: Durch den Umstieg auf Erneuerbare Energien, gehen wir auch zu einer volatilen und dezentralen Stromversorgung über und die stellt unsere Netze vor neue, komplexe Herausforderungen. Sie erfordert es Verbrauch, Erzeugung und Netze intelligent miteinander zu verknüpfen um weiterhin eine resiliente Strominfrastruktur zu gewährleisten. Das Konzept der Smart Grids wird dabei oft als Voraussetzung für den Umstieg auf erneuerbare Energiequellen betrachtet.
Als Smart Grids (auf Deutsch „intelligente Stromnetze“) bezeichnet man ein modernes Stromnetz, das mithilfe von Technologie und Automatisierung den Stromfluss effizienter, zuverlässiger und sicherer gestaltet. Es verknüpft alle Komponenten eines Energiesystems miteinander, also Stromerzeuger, Verbraucher, Speicher und das Stromnetz selbst, und schafft einen ständigen Austausch zwischen ihnen. Durch den Einsatz digitaler Kommunikations- und Informationstechnologien, können Smart Grids den Strombedarf und die Stromerzeugung in Echtzeit aufeinander abstimmen und dynamisch auf Spitzenlasten, Wetterprognosen oder Störungen reagieren. Die datengetriebene Steuerung gewährleistet so eine stabile und zuverlässige Stromversorgung die insbesondere bei fluktuierenden erneuerbaren Erzeugungsquellen notwendig ist. Dafür entsteht neben dem normalen Stromnetz noch ein zusätzliches Datennetz, auf welches die Kommunikations- und Informationstechnologien zurückgreifen.
Dem Stromnetz, wie wir es heute kennen, unterliegt ein zentralisiertes System, das von Kraftwerken aus Energie erzeugt und über lange Übertragungsleitungen an die Endverbraucher verteilt. Es ist auf einen gleichmäßigen Energiefluss ausgelegt. Dies hat für die fossile Energieerzeugung, wie sie jahrzehntelang betrieben wurde, auch Sinn gemacht, denn die Stromerzeugung des bestehenden Kraftwerkparks folgte dem Verbrauch. Es kam zu wenigen Überlastungen.
Doch genau diese Prämisse kehrt sich durch den steigenden Anteil von Wind und PV um und stellt das Stromnetz nun vor große Herausforderungen. Und es fällt auf: Das Stromnetz wurde nicht für die Integration Erneuerbarer Energien entworfen!
In Zukunft wird die Anzahl an dezentralen Stromerzeugern immer weiter wachsen, welche zusätzlich nicht immer eine konstante Menge an Strom in die Netze speisen werden. Denn erneuerbare Energiequellen richten sich nicht nach unserem Strombedarf. In der Vergangenheit war bei konventioneller Stromerzeugung eine vergleichsweise geringe Leistung erforderlich, um einen sehr kontinuierlichen Stromfluss zu gewährleisten. Heutzutage ist jedoch eine erheblich höhere installierte Leistung erforderlich, um den Energiebedarf zu decken, da erneuerbare Energiequellen volatil sind und eine geringere Anzahl von Betriebsstunden im Vollastbereich aufweisen als konventionelle Anlagen. Der Ausbau erneuerbarer Energien führt damit gleichzeitig dazu, dass während der Spitzenzeiten der regenerativen Stromerzeugung eine deutliche Überproduktion an Strom entsteht, welcher auf das Stromnetz drückt. Es entsteht ein hoher Gleichzeitigkeitsfaktor, der vermehrt zu Überlastungen im Netz führt. Als Lösung bleibt zu diesen Stunden nur die Abschaltung von Erneuerbaren. Gleichzeitig verändert sich auch der Stromverbrauch durch die Elektrifizierung verschiedenster Sektoren und zukünftig wird so immer mehr Strom zur gleichen Zeit benötigt werden.
Intelligente Stromnetze verfügen über ein Portfolio an Flexibilitätstechnologien und können den Übergang zu einer erneuerbaren Energieversorgung erleichtern und beschleunigen. Dabei wirken sie vor allem in den Bereich der Integration Erneuerbarer, dem flexiblem Lastmanagement, der effizienten Speicherung, der Nachfrageflexibilisierung aber auch der Förderung der Energieeffizienz und Optimierung der Netzauslastung mit.
Im Smart-Grid sollen Erzeugung und Nachfrage dynamisch und in Echtzeit aufeinander abgestimmt werden. Durch den steigenden Anteil an Erneuerbaren Energien, getrieben durch die Klimaziele Deutschlands, spielt auch die Speicherung von Energie eine immer wichtigere Rolle. Denn die volatile Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energiequellen muss zu jeder Zeit mit der Last in Einklang gebracht werden. Speicher übernehmen daher in den Konzepten des Smart Grids zentrale Funktionen, indem sie vor allem Volatilität und Netzüberlastungen durch Einbringung von Flexibilität entgegenwirken.
Eine Möglichkeit besteht darin, sie als Puffer zwischen Erzeugung und Verbrauch zu nutzen, um Schwankungen in der Stromversorgung auszugleichen. Bei Überschüssen in der Stromerzeugung, beispielsweise an Tagen mit viel Wind und Sonne, wird der zusätzliche Strom vom Smart-Grid umgeleitet und von Batteriespeichern eingespeichert. So können Leitungsüberlastungen verhindert und etwaiges Einspeisemanagement vermieden werden. Im umgekehrten Szenario speist der Speicher den zusätzlichen Strom dann zu einem späteren Zeitpunkt bedarfsgerecht wieder in die Stromnetze ein. Durch intelligente Stromzähler und Messtechniken wüsste das Stromnetz im Idealfall genau, wann der Bedarf entsteht und könnte die Speicher entsprechend explizit ansteuern. So agieren die Speicher nicht nur im Überschussmanagement sondern auch in der Lastverschiebung und tragen insgesamt zur Stabilisierung des Netzes bei.
Gleichzeitig können die Speicher auch eingesetzt werden um Lastspitzen zu reduzieren. Wenn in Zeiten hoher Nachfrage oder bei Engpässen im Netz große Mengen an Energie verbraucht werden, was in Zukunft durch die Sektorenkopplung zunehmend der Fall sein wird, können Batteriespeicher kurzzeitig zusätzliche Energie bereitstellen, um die Last zu reduzieren und die Netzstabilität aufrechtzuerhalten. Dies trägt dazu bei, dass das Netz weniger belastet wird und die Versorgungssicherheit erhöht wird.
Beide Anwendungsfälle werden auch heute schon von unseren Batteriespeichern bei Kyon Energy bedient. Die Speicher erkennen Zeiten hohen Bedarfs und stellen dem Netz hier kurzfristig die zusätzlich benötigte Energie zur Reduzierung der Lastspitzen zur Verfügung. Diese netzdienliche Leistung wird von den Netzbetreibern auch anerkannt, zumindest teilweise. Denn hier fehlt es aktuell noch an einem klaren regulatorischen Rahmen. Zum einen fehlt eine Folgeregelung ab 2023 um Batteriespeicher auch weiterhin sinnvoll für die Pufferung von Bedarfsspitzen einzusetzen, zum anderen aber auch eine Übertragung dessen explizit auf Erneuerbare Energien damit Batteriespeicher neben den Bedarfsspitzen auch maximale Erzeugungsspitzen netzdienlich puffern können. In Zukunft wird nicht mehr nur die Reduzierung von Lastspitzen ein wichtiges Thema sein, sondern auch die Pufferung von Überproduktion. Hier bieten Batteriespeicher große Potentiale, sind aber immer noch viel zu wenig im Fokus der Debatte.
Das Stromnetz profitiert von der Integration von Batteriespeichern also insofern, als das Speicher auf der einen Seite eine enorme Entlastungsmöglichkeit für die Netze bieten und diese stabilisiert, sie bei der Integration von volatilen Erneuerbaren Versorgungssicherheiten schaffen und andererseits aber auch Flexibilitäten bereitstellen, welche schnellere Reaktionen auf sich verändernde Bedingungen ermöglichen. Dadurch können sowohl der Bedarf für den konventionellen Ausbau des Stromnetzes, als auch Investitionskosten reduziert werden. Batteriespeicher ermöglichen insgesamt also eine effizientere, zuverlässigere und kosteneffektivere Nutzung unser Netzinfrastruktur.
Für die Einführung intelligenter Stromnetze in Deutschland sind mehrere Faktoren und Maßnahmen notwendig.
Zum einen muss die vorhandene Infrastruktur maßgeblich erneuert und technologisch erweitert werden. Eine breite Palette von Technologien, wie Sensoren, Kommunikationsnetzwerke, Datenanalyse-Software und Steuerungssysteme, sind notwendig, um Daten sammeln, analysieren und verwalten zu können. Auch die Integration von intelligenten Zählern, die es ermöglichen, den Stromverbrauch in Echtzeit zu messen und zu überwachen ist notwendig. Denn nur so ist es überhaupt möglich, dass alle Teilnehmer im Stromnetz ihre Verbräuche und Erzeugung miteinander kommunizieren können. Für die Umsetzung wurde bereits 2016 Gesetz „Digitalisierung der Energiewende“ verabschiedet, welches im Januar 2023 nochmals erneuert wurde im Sinne, dass die Prozesse nochmals beschleunigt und vereinfacht werden sollen. Das Gesetz sieht eine verbindliches Rollout von Smart-Metern bis 2030 vor.
Gleichermaßen muss es klare regulatorische Rahmenbedingungen geben um Investitionen in Smart-Grid-Technologien zu fördern und gleichzeitig die Zusammenarbeit zwischen Energieversorgern, Regulierungsbehörden, Technologieanbietern und Endverbrauchern überhaupt zu ermöglichen. Dazu gehört die Schaffung von Anreizen für Netzbetreiber, um in Smart-Grid-Technologien zu investieren, sowie die Schaffung von Standards für die Interoperabilität und Interkonnektivität von Smart-Grid-Systemen.
Insgesamt erfordert die Umsetzung von Smart-Grid-Systemen vor allem aber erhebliche Investitionssummen in Infrastruktur, Technologie und Forschung und Entwicklung. Dabei sind die Investitionssummen zu differenzieren in solche für den Netzausbau allgemein, welcher die Grundlage für den Aufbau von Smart-Grids bildet. Und dann im folgenden Schritt die Investitionen in zusätzliche Technologien, beispielsweise aus Bereichen der Kommunikation und Datenanalyse, um die Lastverschiebungspotenziale (Demand Side Integration) durch Erzeugung und Verbrauch intelligent zu optimieren.
Smart-Grids spielen eine wichtige Rolle in der Modernisierung der Stromnetze und dabei, den Einsatz Erneuerbarer Energien zu erhöhen, die Energieeffizienz zu steigern und das Stromnetz gleichzeitig stabiler zu machen. Bereits heute kommen sie daher in Modellregionen (z.B. in den SINTEG Projekten) zum Einsatz, werden getestet und zeigen Ihr immenses Potential in der Realität. Klar ist auch, dass die Energiewende und ein Umstieg auf langfristig 100% Erneuerbare Energien in unserer Stromversorgung ohne intelligentere Stromnetze nicht gelingen wird.
Doch so sehr Smart-Grids wie die Lösung der Energiewende wirken, genauso groß sind aktuell noch die Hürden in der Umsetzung. Denn der Transit von zentralen Systemen auf fluktuierende, dezentrale Systeme unter Erhaltung der Netzstabilität ist eine große Herausforderung für die Netzbetreiber. Dafür erfordert es eine umfassende Modernisierung und Digitalisierung des Stromnetzes und das ist mit enormen Investitionskosten verbunden. Laut Bundesnetzagentur muss davor der Netzausbau zunächst vorangetrieben werden, insbesondere der Ausbau von Nord-Süd Stromtrassen.
Wie schnell Deutschland sich also von einem zentralen zu einem intelligenten Stromnetz entwickeln kann bleibt abzuwarten. Technologisch betrachtet, befinden wir uns auf einem sehr guten Weg. Politik und Regulatorik sind hier also gefordert aktuelle Prozesse deutlich zu beschleunigen um die Ziele einer nahezu treibhausgasneutralen Energieversorgung 2035 erreichen zu können. Denn die Akteure stehen längst bereit, um die Theorie im großen Stil in die Praxis zu überführen.