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Fachartikel
5.9.2023

Konzeptpapier „Energiespeicheranlagen-Netzanschlussverordnung“ (SpeicherNAV)

Lesedauer:
6 min

I. Status Quo – Probleme beim Netzanschluss von Speichern

Zum 1. Juli 2023 ist die neue Definition des Begriffs der Energiespeicheranlage gemäß § 3 Nummer 15d EnWG1 in Kraft getreten. Damit erhalten Speicher im Energierecht einen neuen Status. Die Definition erkennt an, dass wesentliche Eigenschaft von Speichern für das Energiesystem die zeitliche Verschiebung der endgültigen Nutzung elektrischer Energie auf einen späteren Zeitpunkt als den ihrer Erzeugung ist und es sich bei Speichern nicht um Letztverbrauchseinrichtungen und Erzeugungsanlagen handelt. Um der neuen Rolle von Energiespeicheranlagen im Energiesystem gerecht zu werden und Hürden für Speicher abzubauen, sind verschiedene Änderungen im bestehenden – für die Erzeugung, den Transport und den Verbrauch von Strom geschaffenen – energierechtlichen Rechtsrahmen erforderlich.  

Dies betrifft unter anderem den Netzanschluss von Speichern. Bislang gibt es nur für Letztverbraucher und Erzeugungsanlagen Regelwerke, die zum Teil auf Speicher angewendet werden. Dies führt zunächst zu einem erheblichen Maß an Rechtsunsicherheit, weil die Anwendung der für Letztverbraucher und Erzeugungsanlagen konzipierten Regelungen auf Speicher oftmals nicht 1 zu 1 möglich oder sinnvoll ist. Der daraus resultierende Auslegungs- und Anwendungsspielraum ist bereits per se investitionshemmend. In einzelnen Punkten führt der bisherige Rechtsrahmen auch unmittelbar zu nachteiligen Effekten bei Speichern, die einen dringend benötigten Zubau bremsen und bei systemischer und volkswirtschaftlicher Betrachtung Fehlanreize setzen. An anderen Stellen fehlen Regelungen für (Multi-Use-) Speicher. Beim Netzanschluss und der Netznutzung von Speichern bestehen aktuell folgende Hürden:  

1. Belastung von Speichern mit dem (für Letztverbraucher konzipierten) Baukostenzuschuss  
2. Zeitliche Befristung der Netzentgeltbefreiung nach § 118 Absatz 6 EnWG auf Speicher mit Inbetriebnahme bis Mitte 2026
3. Keine Anwendbarkeit der Netzentgeltbefreiung nach § 118 Absatz 6 EnWG auf Multi-Use-Speicher  
4. Zu lange Dauer der Bearbeitung von Netzanschlussbegehren
5. Zu lange Dauer der Herstellung von Netzanschlüssen oder sogar Nichtverfügbarkeit von Netzanschlüssen aufgrund unnötiger „Worst Case“-Betrachtung der Leistung des Speichers, weil ein dauerhafter Bezug und gleichzeitig eine dauerhafte Einspeisung des Speichers mit voller Leistung (wie bei einem Letztverbraucher/einer Erzeugungsanlage) netzplanerisch zugrunde gelegt wird.  

II. Lösungsansatz: Energiespeicheranlagen-Netzanschlussverordnung (SpeicherNAV)

Den oben unter 1. bis 3. genannten Hürden und Fehlanreizen kann jedenfalls teilweise mit Änderungen im Energiewirtschaftsgesetz begegnet werden. Diese Themen sind jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Konzeptpapiers. Vielmehr soll im Folgenden skizziert werden, wie im Hinblick auf die oben unter 4. und 5. genannte Problematik eine „Energiespeicheranlagen-Netzanschlussverordnung“ (SpeicherNAV) aussehen könnte, um den Besonderheiten von Speichern beim Netzanschluss gerecht zu werden und die in Ziffer 4. und 5. genannten schwerwiegenden Hürden zu beseitigen.  

1. Ziele der SpeicherNAV

Die Ziele der SpeicherNAV sind aus der Perspektive des Gesamtenergiesystems heraus festzulegen, wobei sowohl der aktuelle Stand des Energiesystems in Deutschland als auch der zu erwartende weitere erhebliche Zubau von PV- und Windenergieanlagen zu berücksichtigen sind.  

Zu nennen sind dabei insbesondere:  

1. Beschleunigung des Netzanschlusses von Speichern  
2. Allokation von Speichern an systemdienlichen Standorten  
3. Sicherstellung einer systemdienlichem Betriebsweise von Speichern  
4. Sicherstellung einer fairen Verteilung des volkswirtschaftlichen Nutzens aus dem Speicherbetrieb zwischen dem Speicherbetreiber und der Gesellschaft.  

2. Struktur der SpeicherNAV

Bei der Struktur liegt es nahe, sich an bereits bestehenden Regelungen, insbesondere des EEG, aber auch der KraftNAV zu orientieren.

3. Inhalte der SpeicherNAV

a. Anwendungsbereich der SpeicherNAV

Der Anwendungsbereich sollte alle Netzanschlüsse von Energiespeicheranlagen an Elektrizitätsversorgungsnetze mit einer Spannung von mindestens 10 Kilovolt (Mittelspannungsnetze und darüber) umfassen.

b. Anspruch auf vorrangigen und unverzüglichen Netzanschluss

Systemdienliche Energiespeicheranlagen sollten aufgrund ihrer Bedeutung für das Energiesystem – vergleichbar mit Erneuerbare-Energien-Anlagen – grundsätzlich einen Anspruch auf vorrangigen und unverzüglichen Netzanschluss erhalten. Die Regelungen können insoweit in weiten Zügen § 8 EEG 2023 nachgebildet werden. Das gilt insbesondere für die zur Verfügung zu stellenden Informationen des Netzbetreibers, die Pflicht zur Bereitstellung eines Webportals, die Reaktionsfristen und die Bestimmung des wirtschaftlich günstigsten Netzverknüpfungspunktes, wobei die Besonderheiten und Fähigkeiten von Speichern zu berücksichtigen sind.  

Die Pflicht zum Netzanschluss muss insbesondere auch dann bestehen, wenn die Abnahme des Stroms erst durch die Optimierung, die Verstärkung oder den Ausbau des Netzes möglich wird. Vielfach werden Speicher aber gerade dazu führen, dass Netze entlastet und übergeordnete Maßnahmen zur Erweiterung der Netze vermieden oder zumindest zeitlich verschoben werden können. Dies darf und muss durch den Netzbetreiber bei der Prüfung von Netzanschlussbegehren nach der SpeicherNAV berücksichtigt werden.

c. Sicherstellung der Systemdienlichkeit der Energiespeicheranlage

Kern der SpeicherNAV sollten sodann Regelungen sein, die sicherstellen, dass Energiespeicheranlagen, die von den Privilegien nach der SpeicherNAV (und gegebenenfalls weiteren Regelungen) profitieren, einen wesentlichen Beitrag zur Systemstabilität nicht nur erbringen können, sondern auch erbringen müssen. Dies halten wir für erforderlich, um eine nachhaltige – und auch beihilfenrechtskonforme – Grundlage für die Privilegierung von Speichern gegenüber fossilen Erzeugungsanlagen und Letztverbrauchern zu schaffen.  

Angesichts der vielfältigen technischen Fähigkeiten von Speichern sowie gleichzeitig der vielfältig unterschiedlichen Situationen in den Verteilnetzgebieten schlagen wir insoweit als flexiblen und individuellen Lösungsansatz vor, dass Verteilnetzbetreiber – nach vorgegebenen Regeln (siehe die folgenden Punkte) für jede Energiespeicheranlage bestimmte Leitplanken für die Betriebsweise („Betriebskonzept“) festlegen dürfen.

d. Ablauf des Netzanschlussverfahrens

Als Grundlage für das Betriebskonzept benennt zunächst der Speicherbetreiber im Zuge seines Netzanschlussbegehrens die technischen Fähigkeiten und Grenzen des geplanten Speichers. Der Netzbetreiber prüft daraufhin – ähnlich den Vorgaben des § 3 KraftNAV – Anschlusspunkt, Anschlussleitungen sowie Lastflüsse und sonstige Wirkungen auf das Netz. Zudem prüft er den voraussichtlichen Umfang des Einsatzes des Energiespeichers für Redispatch-Maßnahmen, wobei der Anschlussnehmer verlangen kann, dass der Netzbetreiber auch Prüfungen unter Zugrundelegung von Annahmen des Anschlussnehmers durchführt, insbesondere hinsichtlich zu erwartender positiver bzw. netzentlastender Auswirkungen des Speichers auf das Netz.

Der Netzbetreiber sollte sodann innerhalb einer festgelegten Frist von höchstens drei Monaten verpflichtet sein, die Prüfungen abzuschließen, den Verknüpfungspunkt sowie den möglichen Anschlusszeitpunkt zu benennen und dem Speicherbetreiber das Betriebskonzept zu nennen. Dabei ist im Detail zu begründen, welchen Nutzen die in dem Betriebskonzept genannten Betriebsgrenzen für das Verteilnetz mit sich bringen und dass die Vorgaben der SpeicherNAV dabei berücksichtigt worden sind.  

Innerhalb des Betriebskonzepts sollte der Netzbetreiber dabei die Möglichkeit haben, auf der Grundlage der spezifischen Bedürfnisse in dem jeweiligen Netzbereich vorzusehen, dass er, jeweils in einem vorab bestimmten Rahmen,  

a) die vom Anlagenbetreiber vorgesehene Fahrweise des Speichers sowohl in Bezugs- als auch in Einspeiserichtung zeitlich anpassen kann,  
b) die vom Anlagenbetreiber vorgesehene Fahrweise des Speichers sowohl in Bezugs- als auch in Einspeiserichtung auch der Höhe nach anpassen kann,  
c) Betriebszeiträume und Betriebszyklen des Speichers zu vorab definierten Konditionen auch langfristig kontrahieren und in begrenzten Zeiträumen frei über den Speicher verfügen kann, und  
d) dem Speicherbetreiber (Leistung, Zeiträume) die Erbringung von Regelenergie an den zuständigen Betreiber der Übertragungsnetze untersagen kann.  

Das Recht des Netzbetreibers, Betriebsgrenzen vorzugeben, sollte dabei auf das für einen sicheren Betrieb des Verteilnetzes erforderliche Mindestmaß begrenzt werden.  
Durch den aufgrund des Betriebskonzeptes ermöglichten Speicher-Dispatch unter Zugrundelegung des Betriebskonzepts wird insgesamt der Bedarf an Redispatch-Maßnahmen in dem jeweiligen Netzbereich gesenkt.  
Netzdienliche Energiespeicheranlagen mit einem entsprechenden Betriebskonzept nach den Vorgaben der SpeicherNAV müssen gleichzeitig aus dem Anwendungsbereich des Redispatch (§§ 13, 13a EnWG) ausgenommen werden.  

e. Anschlusszusage und gesetzliches Schuldverhältnis

Ergebnis des Verfahrens wäre sodann eine Anschlusszusage des Netzbetreibers inklusive Betriebskonzept, die ein gesetzliches Schuldverhältnis begründet. Dies entspricht dem – bewährten – Konzept des EEG.

f. Recht zur Ablehnung von Netzanschlüssen

Ein Recht zur Ablehnung von Netzanschlüssen steht dem Netzbetreiber – wie nach dem EEG – im Fall technischer Unmöglichkeit oder wirtschaftlicher Unzumutbarkeit zu, wobei durch den Verordnungsgeber – anders als im EEG – genauer definiert werden sollte, wann ein Fall der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit vorliegt.

g. Schlichtungsstelle bei Auseinandersetzungen

Mittels eines unbürokratischen und zeitlich begrenzten Schieds- oder Schlichtungsverfahrens sollte sowohl für Speicherbetreiber als auch für Netzbetreiber die Möglichkeit bestehen, in konstruktiver Weise eine Einigung über den Netzanschluss an sich, die Einzelheiten des Netzanschlusses und insbesondere auch das Betriebskonzept zu erreichen. Entsprechende Verfahren sollten bei der jeweils für den Netzbetreiber zuständigen Regulierungsbehörde – möglichst online – durchgeführt werden.

h. Frist zur Umsetzung des Netzanschlusses

Der Anspruch des Speicherbetreibers auf den unverzüglichen Netzanschluss sollte durch eine Regelfrist flankiert werden („unverzüglich, spätestens aber innerhalb von 12 Monaten“), wobei der Netzbetreiber die Möglichkeit erhält, die Frist aus Gründen zu verlängern, die er nicht zu vertreten hat. Die Darlegungs- und Beweislast für diese Gründe ist hierbei bei dem Netzbetreiber zu verorten. Dieser Vorschlag berücksichtigt, dass das Fehlen von Umsetzungsfristen für den Netzanschluss in anderen Verordnungen und Gesetzen (EnWG, EEG, StromNZV, GasNZV) bislang dazu führt, dass der Anspruch auf unverzüglichen Netzanschluss de facto leerläuft, weil es Anschlussnehmern regelmäßig nicht möglich ist, selbst den Nachweis zu führen, dass ein bestimmter Zeitraum zu lang war oder Verzögerungen durch den Netzbetreiber zu vertreten waren.

i. Kostentragung für den Netzanschluss und den Netzausbau

Entsprechend den Regelungen zur Kostenverteilung nach den §§ 16 und 17 EEG sollte der Speicherbetreiber die Kosten für den Netzanschluss und der Netzbetreiber die Kosten der Optimierung, der Verstärkung und des Ausbaus des Netzes tragen.
Die Kosten für die Prüfung des Netzanschlussbegehrens auf der Grundlage der SpeicherNAV sollten vom Speicherbetreiber getragen werden. Hiermit würde sichergestellt, dass Netzbetreiber nur mit ernsthaften Vorhaben befasst werden.  
Die Kosten der Entschädigung müssen durch den Netzbetreiber im Rahmen der Anreizregulierung – ebenso wie Kosten aus dem Redispatch – in Ansatz gebracht werden können.

j. Finanzielle Entschädigung der Einschränkungen des Speicherbetriebs

Die Kosten der Entschädigung müssen durch den Netzbetreiber im Rahmen der Anreizregulierung – ebenso wie Kosten aus dem Redispatch – in Ansatz gebracht werden können. Die finanzielle Kompensation der Einschränkungen des Speicherbetriebs kann sich im Wesentlichen an den Regelungen des § 13a EnWG (Redispatch-Maßnahmen) orientieren. Der finanzielle Ausgleich ist so vorzunehmen, dass der Speicherbetreiber wirtschaftlich nicht schlechter gestellt wird, als er ohne Betriebsrestriktionen stehen würde. Ein angemessener finanzieller Ausgleich hat deshalb folgende Bestandteile zu umfassen:  

a) Notwendige Mehrkosten der Energiespeicheranlage aufgrund der Vorgaben des Betriebskonzepts  
b) Notwendige Auslagen für die aufgrund des Betriebskonzepts erfolgte Anpassung des Bezugs oder der Einspeisung der Energiespeicheranlage  
c) Den Werteverbrauch der Anlage für die aufgrund des Betriebskonzepts erfolgte Anpassung des Bezugs oder der Einspeisung der Energiespeicheranalage  
d) Die aufgrund der Einschränkungen durch das Betriebskonzept entgangenen Erlösmöglichkeiten  
e) Die notwendigen Auslagen für die Herstellung der Betriebsbereitschaft oder die Verschiebung einer geplanten Revision.

k. Kein Baukostenzuschuss

In der SpeicherNAV sollte schließlich auch festgehalten werden, dass beim Netzanschluss von Energiespeicheranlagen kein Baukostenzuschuss erhoben werden darf.

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