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Fachartikel
19.12.2022

Gastbeitrag Hans Urban: Große Batteriespeicher der nächsten Generation für die Energiewende

Lesedauer:
4 min

Die Energie-Wende in Deutschland läuft auf vollen Touren!

So eine Aussage mag aufgrund der vielen aktuellen Probleme etwas provokant klingen. Dennoch ist sie sachlich richtig. Natürlich wird der Systemumbau letztendlich noch ein langer und steiniger Weg und es muss an vielen Stellen daran gearbeitet werden, damit er schnell und konsequent weitergeht. Aber stellen wir uns auf der anderen Seite doch einmal die aktuelle Situation vor, wenn wir nicht bereits mehr als 50 Prozent erneuerbare Energien im Stromnetz hätten. Vor welch ungleich größeren Problemen würden wir da momentan stehen.

Auf der anderen Seite könnte man sich sicherlich auch vorstellen, um wieviel besser unsere Situation momentan wäre, wenn nicht die Politik im Jahr 2012 den Ausbau der Erneuerbaren komplett eingebremst, sondern mit dem damaligen Tempo fortgesetzt hätte. Auch in diesem Fall wäre ein Krieg in der Ukraine mit allen seinen Folgen natürlich tragisch. Aber bezüglich unserer Abhängigkeit von fossilen Energieimporten und vor allem bezüglich der aktuellen Strompreisen wäre die Lage wesentlich anders.

Wie ist dieser Erfolg der Erneuerbaren in Deutschland entstanden, um den uns sicherlich viele Länder in Europa und darüber hinaus beneiden? Das EEG, in seiner ursprünglichen Form bestand es übrigens aus ganzen fünf Seiten Gesetzestext, setzte damals die politischen Rahmenbedingungen. Die Investitionen in die erneuerbaren Energien wurden aber nicht aus staatlichen Mitteln getätigt, sondern die Investitionen erfolgten zu fast 100 Prozent aus privatem Kapital. Natürlich wurde der deutsche Stromkunde durchaus mit Umlagen belastet, ein Effekt, der sich in der aktuellen Preissituation inzwischen komplett umkehrt. So sehen wir heute deutlicher denn je, wie erfolgreich das damalige EEG doch war. Die enormen Preisreduktionen für die Erzeugung erneuerbarer Energien haben inzwischen dazu geführt, dass man in diesen Tagen sogar über eine Deckelung der Übergewinne von den Betreibern erneuerbarer Energieanlagen nachdenkt. Eine andere Möglichkeit wäre, das Strommarktdesign (Stichwort: Merit Order) zu ändern und die vergleichsweise günstigen Strompreise aus erneuerbaren Energien so den Verbrauchern direkt zukommen zu lassen.

Tatsache ist in jedem Fall, dass die Verbraucher inzwischen von günstigen erneuerbaren Energien stark profitieren, einzig und allein ein Erfolg des nunmehr gut 20 Jahre alten EEGs.

Bei all diesem Erfolg der erneuerbaren Energien darf aber nicht verschwiegen werden, dass mit dem zunehmenden Ausbau dieser volatilen Energieformen große Speicherkapazitäten erforderlich werden. Um zu einem letztlich optimierten Gesamtsystem zu kommen, wird es langfristig verschiedene Speichertechnologien geben. Zu nennen wären hier etwa die Wasserstofftechnologie oder Methanisierung für die Langzeitspeicherung, aber auch Hausbatteriespeicher oder Speicher in Elektrofahrzeugflotten, die in Zukunft vernetzt werden könnten und vieles mehr.

Neben diesen Technologien wird man aber in jedem Falle relevante Kapazitäten an Großbatteriespeichern brauchen. Denn diese Speicher eignen sich am besten, um Netze zu stabilisieren und zu entlasten und um Energie sowohl örtlich als auch zeitlich sinnvoll zu verteilen. Verschiedene Studien zum zukünftigen Energie- und Strommarkdesign kommen hier zum übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass eine dreistellige Größenordnung an Gigawattstunden in Form von Großbatteriespeichersystemen in wichtigen Netzknotenpunkten zu errichten ist.

Die Speicher-Wende in Deutschland – auch sie läuft bereits auf vollen Touren!

Die derzeitige Dynamik dieses Speicherausbaus ist interessanterweise wesentlich größer, als Politik und Öffentlichkeit derzeit wahrnehmen.

In der allgemeinen Wahrnehmung und Berichterstattung tauchen viele Projekte derzeit überhaupt nicht auf. Es gibt Berichte über Speichersysteme im Rahmen von geförderten Projekten, es gibt Pressemeldungen über Speicher in den EEG-Innovationsausschreibungen und natürlich über die zunehmende Anzahl an Speichersystemen bei Privat- und Gewerbekunden.

Sehr wenig Berichterstattung gibt es aber über „Großbatteriespeicher der nächsten Generation“.  So sind in Deutschland derzeit mehrere Großbatteriespeicher in der Größenordnung von 100 Megawattstunden und mehr in Planung, im Bau oder bereits in der Fertigstellung.

Während öffentliche Projekte wie beispielsweise die geplanten Netzbooster allgemein transparent gemacht werden müssen, handelt es sich hier um eigenwirtschaftliche und marktgetriebene Projekte. Bei diesen Projekten werden zuallererst geeignete Netzanschlussknoten identifiziert, Grundstücke und Genehmigungen akquiriert und die Betreibermodelle mit Investoren vereinbart. Denn das ist die Besonderheit dieser neuen Generation von Großbatteriespeichern: Sie finanzieren sich generell selbst rein aus Markterlösen!

Die hohe Fluktuation, die sich in den Stromnetzen in den letzten Jahren immer mehr herauskristallisiert, bietet den Speichern Geschäftsmodelle, die zu einer ausreichenden eigenwirtschaftlichen Rentabilität führen und darüber hinaus dadurch selbst dieser Fluktuation wiederum entgegenwirken. Dieser Marktmechanismus löst damit zwei Probleme: Die Finanzierung der Speicher für die Energiewende belastet Netzbetreiber, Steuerzahler, Stromkunden nicht.  Auch zeitraubende reglementierte Ausschreibungen sind nicht notwendig, da es nur private Kapitalgeber gibt.

Es gibt derzeit in Deutschland eine relevante Anzahl solcher fertiggeplanter Projekte inklusive der zugehörigen Netzanschlussknoten und passenden Grundstücke, es kann – überspitzt formuliert – morgen gebaut werden. Denn der Vorteil von Speicherprojekten ist die kurze Realisierungszeit! Sie beträgt in der Regel von Spatenstich bis Inbetriebnahme etwa zwei Jahre und ist damit um Größenordnungen geringer als die üblichen Projektlaufzeiten anderer Infrastrukturprojekte.

Großbatteriespeicher sind kompakt, praktisch unsichtbar und von einem normalen Gewerbebau kaum zu unterscheiden. Sie befinden sind immer in der Kulisse eines Gewerbe- und Industriegebietes, es gibt also keinerlei Einschränkungen für Wohngebiete, Infrastruktur, Landwirtschaft oder Tourismus.  Das besondere aber ist die hohe Speicherdichte. So kann auf einem Hektar ein Speicher in der Größenordnung von 200 – 250 Megawattstunden untergebracht werden.

 Politische Hemmnisse müssen jetzt beseitigt werden

Hier schließt sich der Kreis. Der Ausbau dieser Speicherkapazitäten der neuen Generation und neuen Größenordnung entwickelt aktuell analog zum vor gut 20 Jahren begonnen Ausbau erneuerbarer Energien eine große Dynamik und bringt damit die Energiewende in die nächste Stufe. Der Hauptgrund dafür ist, dass sich die Speicher selbst am Markt refinanzieren können und dass dadurch sehr viel privates Investitionskapital für diese Projekte zur Verfügung steht.

Staat und Politik müssen also diese Projekte nicht aus Haushalten und Steuermitteln finanzieren und das wäre in dieser Größenordnung auch gar nicht möglich.

Aber: Ähnlich wie beim EEG vor 20 Jahren müssen die politischen Rahmenbedingungen geeignet gesetzt werden!

Generell ist es erforderlich, die Speicher als vierte Säule der Energieversorgung anzuerkennen und zu definieren. Dazu sind im Detail viele Richtlinien zu überarbeiten. Da Speicher in praktisch allen Fällen immer netzentlastend und netzstabilisierend wirken, dürfen sie nicht analog zu netzbelastenden Verbrauchern behandelt werden. Nur so kann ein geeignetes Investitionsklima für diese Projekte geschaffen werden.

Ein erster wichtiger Schritt ist in diesem Zusammenhang die Abschaffung der sogenannten Baukostenzuschüsse für Speicherprojekte. Reale Forderungen nach diesem Zuschuss betragen bis zu 20 Prozent der gesamten Investitionskosten für die Speicher und stellen damit viele aktuell geplante Großprojekte in Frage.

Der Baukostenzuschuss ist als Kostenbeteiligung für die Entnahme großer garantierter Verbraucherleistungen aus den Netzen gedacht, für netzdienliche Speicher, die noch dazu an zentralen Netzknotenpunkten errichtet werden sollen, ist er weder technisch noch gesetzlich zu rechtfertigen.

Im Hinblick auf den notwendigen dynamischen Ausbau von Speichern ist deshalb hier eine schnelle politische Entscheidung, genauer eine generelle Abschaffung des Baukostenzuschuss für Speicher erforderlich.

Autor: Dipl. Ing. Hans Urban ist Experte für Photovoltaik, E-Mobilität und Speichertechnik. Er hat als Teil der Geschäftsleitung den Solarbereich bei Schletter aufgebaut. Mittlerweile ist er als Berater tätig und hält deutschlandweit Vorträge zu Themen rund um erneuerbare Energien und Elektromobilität.

Bei dem Kommentar handelt es sich um einen Gastbeitrag von Hans Urban. Der Beitrag wurde ebenfalls im pv magazine veröffentlicht: https://www.pv-magazine.de/2022/12/14/grosse-batteriespeicher-der-naechsten-generation-fuer-die-energiewende/

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