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2.8.2022

Batteriegroßspeicher als Schlüsseltechnologie der Energiewende

Lesedauer:
7 min

Was uns ein sonniger Montag im Juni über die Zukunft des Stromnetzes verrät.

Pfingstmontag, 06.Juni 2022 – ein wunderschöner sonniger und angenehm windiger Tag. Nicht nur perfekt für einen Feiertagsspaziergang mit der Familie, sondern auch perfekte Voraussetzungen für Photovoltaik- und Windkraftanlagen, die es an diesem Tag schafften, den gesamten benötigten Strom im Alleingang zu Verfügung zustellen. Um die Mittagszeit herum konnten die gesamten 48,7 GW des in Deutschland benötigten Stroms durch die 54,5 GW Solar, Wind, Biomasse und Laufwasserkraftwerke ohne Probleme gedeckt werden. Es wurden sogar 5,8 GW mehr erzeugt, als verbraucht wurde.

Ein beeindruckendes Zeichen für den Erfolg der Energiewende, oder etwa nicht?

Durchaus, allerdings mit einem bitteren Beigeschmack. Wie in der folgenden Grafik gut zusehen, konnten die Erneuerbaren den Bedarf zwar vollständig decken, die konventionellen Kraftwerke wie Kohle, Gas oder Atomkraft konnten aber nicht zeitgleich abgeschaltet werden.

Durch die fehlende Flexibilität des deutschen Stromnetzes und die Trägheit der konventionellen Großkraftwerke, die nicht schnell genug abgeschaltet werden konnten, wurde an diesem Tag ein deutlicher Überschuss an Strom produziert.

Zu den oben genannten 54,5 GW kamen 7,9 GW aus Braun- & Steinkohle, 2,2 GW aus Atomkraft und sogar 2,5 GW aus der Verstromung von aktuell sehr knappem Erdgas. Somit produzierte Deutschland zu dieser Zeit einen Überschuss von 19,3 GW. Durch diesen Schiefstand zwischen Stromangebot und -nachfrage brach der Strompreis von ca. 94€/MWh auf -0,08 €/MWh ein. Deutschland musste also, um das Stromnetz im Gleichgewicht zuhalten, Strom an angrenzende Länder verschenken. Lediglich einige Stunden später um 20.00 Uhr, sobald die Sonne unterging, musste die Produktion durch Braunkohle von 6,3 GW auf 13,8 GW hochgefahren werden, um nun den Bedarf zu decken. Der Strompreis stieg extrem auf 215 €/MWh an.

Innerhalb weniger Stunden musste Deutschland also erst überschüssigen Strom aus erneuerbaren Quellen verschenken und kurz darauf die Produktion aus Braunkohle um mehr als das Doppelte hochfahren, um den Bedarf zu decken.
Der 06.06.2022 zeigt folglich eindrucksvoll das noch zu lösende kritische Problem in der Energiewende: Die fehlende Flexibilität im deutschen Stromnetz.

Um das Klimaziel von 80% erneuerbarer Energie bis 2030 erreichen zu können, ist es unabdingbar, diese Flexibilität stark zu erhöhen und somit das Netz auf künftig noch viel höhere Mengen von erneuerbaren Erzeugungsanlagen vorzubereiten.

Wie erhöhen wir die Flexibilität?

Um die Volatilität effektiv auszugleichen, muss das Stromnetz künftig wesentlich flexibler auf die schwankende Produktion aus erneuerbaren Energien reagieren können. Hierfür müssen Energiespeichersysteme aller Art ein fester Bestandteil des Netzes werden. Mithilfe dieser Systeme hätte die überschüssige Energie an diesem Pfingstmontag erst aufgenommen, und später wieder eingespeist werden können, was das Hochfahren der Braunkohleleistung und die starken Preisschwankungen an diesem Tag vermieden hätte.
Eine der Schlüsseltechnologien im Bereich der Speichersysteme, die exakt dieses Problem angehen, sind die stationären, netzgekoppelten Batteriegroßspeicher.

Diese Batteriegroßspeicher sind, wie der Name bereits sagt, großskalierte Batteriespeicher, die direkt an das Netz angeschlossen werden und sich häufig im Bereich von 5 – 100 MW bewegen. Durch ihre hohen Wirkungsgrade (über 90%) und extrem schnelle Reaktionsfähigkeit (die volle Leistung steht im Zweifel innerhalb von Sekundenbruchteilen zur Verfügung), bieten sich diese Speicher sehr gut an, um die kurzfristigen Schwankungen des Stromnetzes auszugleichen.

Im konkreten Fall des Pfingstmontags 2022 würden die Großspeicher also die günstigen Preise um 12.00 Uhr nutzen, um sich aufzuladen und die teuren Preise um 20.00 Uhr, sobald die Sonne unterging, um zu entladen. Somit würden die Batterien die überschüssige Energie aus Erneuerbaren aufnehmen und sowohl die Preisschwankungen an diesem Tag reduzieren als auch das Hochfahren der Braunkohlekraftwerke vermeiden.
Zusätzlich zu diesem marktdienlichen Verhalten, können Batteriegroßspeicher gleichzeitig auch weitere kritische, netzdienliche Aufgaben des Stromnetzes übernehmen, die das zukünftige volatile Stromnetz flexibel, stabil und sicher halten:

Regelenergie:
Regelenergie dient als Reserve, um jegliche Schwankungen der Stromnetzfrequenz in kurzer Zeit (Sekunden bis Minuten) auszugleichen und die konstante Frequenz von 50 Hertz zu halten. Stromerzeugung- und Verbrauch sind dann immer im Gleichgewicht.
 --> Stabilisiert das Stromnetz auch bei einer hohen Prozentzahl an Erneuerbaren Erzeugungsanlagen

Schwarzstartfähigkeit:
Fähigkeit bei einem vollständigen Stromausfall, das Netz ohne externe Stromzufuhr wieder aufzubauen (Viele konventionelle Großkraftwerke benötigen Strom, um selbst wieder zu starten)
--> Sichert das Stromnetz und bereitet es auf einen möglichen Ernstfall vor.

Engpassvermeidung (Redispatch):
Eingriff des Netzbetreibers zur Vermeidung von Leistungsüberlastungen im Stromnetz. Anlagen werden nach Bedarf hoch- oder heruntergefahren, um die Überlastungen zu vermeiden.
--> Vermindert den weiter nötigen physischen Netzausbau und hilft dabei, die Belastung im Stromnetz gleichmäßig zu verteilen. (Vermindert z.B. den Nord-Süd Engpass)

Blindleistung:

Leistung die für den Aufbau unseres Wechselstromnetzes benötigt wird (Aufbau von Magnetfeldern in Trafos, Wechselrichtern, etc.)
--> Unterstützt bei dem Aufbau und Stabilisierung unseres Stromnetzes

Stromhandel /Ausgleich von Preisspitzen:
Aufnahme von Strom bei günstigen Preisen (= häufig Überschuss von Erneuerbaren) und Einspeisung bei hohen Preisen (= häufig zu wenig erneuerbare Energie verfügbar).
--> Stabilisierung des volatilen Strompreises
--> Erhöhung der flexiblen Nutzung von Erneuerbaren Energien durch Zwischenspeicherung

Dass stationäre Batteriegroßspeicher durch diese mögliche Diversität an netzdienlichen Aufgaben eine Schlüsselrolle in der Energiewende darstellen werden, zeigt auch die Studie des Fraunhofer ISE „Wege zu einem klimaneutralen Energiesystem“ vom 12.11.2021.
Wollen wir in Deutschland bis 2030 auch nur 65% unserer Energie aus erneuerbaren Quellen beziehen, ist es laut der Studie unausweichlich, die Batteriespeicherkapazität in Deutschland bis 2030 auf 83 GWh und damit das fast 200-fache der heutigen Kapazität auszubauen und so das Netz auf diese Anzahl von volatilen Erzeugungsanlagen vorzubereiten. Wenn die momentan im neusten Osterpaket der Bundesregierung geplanten 80% folglich bis 2030 erreicht werden sollen, muss dieser Ausbau nur noch schneller angegangen werden.

Ohne die Flexibilisierung und Stabilisierung des deutschen Stromnetzes durch einen starken Ausbau von Batteriegroßspeichern und anderen Speichersystemen, wird es bei einem schnellen Ausbau von erneuerbaren Quellen bis 2030 regelmäßig zu Tagen wie den Pfingstmontag 2022 kommen, bei denen das Stromnetz den Anforderungen der schwankenden Produktion nicht gewachsen ist und damit sowohl wertvollen produzierten Strom nicht effektiv nutzen kann, als auch die Stabilität des Stromnetzes gefährdet.
Schaffen wir es allerdings in der nahen Zukunft, die momentan noch herrschenden bürokratischen Hürden, wie die Anerkennung der Netzdienlichkeit von Batteriegroßspeichern, welche den Ausbau momentan verlangsamen, zu beseitigen, kommen wir einem 100% Erneuerbaren Energiesysteme ein gutes Stück näher.

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